(7) Wie überleben Texte 2000 Jahre? - Teil 2: Textkritik

Shownotes

Nachdem wir unserem Text in der letzten Folge aus der Antike durch Spätantike, Mittelalter und Renaissance bis zum Buchdruck gefolgt sind, sitzen wir nun vor einem Stapel Handschriften fragen uns: Wie in aller Welt wird aus diesen Abschriften mit all den unterschiedlichen Fehlern bitte wieder ein Text?

Das Stichwort lautet Textkritik: Um möglichst nah an das heranzukommen, was antike Autoren vor 2000 Jahren geschrieben haben, rekonstruieren Altphilolog:innen aus den Abschreibefehlern die Verhältnisse dieser Handschriften zueinander (recensio), schätzen mit einigen althergebrachten Methoden ein, welche Handschrift an welcher Stelle den "richtigen" Text hat (examinatio), korrigieren notfalls den überlieferten Text (emendatio) und erstellen am Ende eine kritische Textedition, in der die Varianten dokumentiert sind.

In dieser Folge gehen wir am Beispiel von Catull durch, wie Textkritik funktioniert. Wir disktuieren über Einleitungen auf Latein, Probleme mit dem kritischen Apparat und welche Horaz-Ausgabe wir am liebsten mögen. Wir haben dazu einige Anekdoten aus unserem Studium im Gepäck und reden auch darüber, welche Probleme mit unserem Fach hier offensichtlich werden und wie wir uns den Umgang mit textkritischen Editionen an der Uni wünschen.

In der Folge erwähnt:

  • Oakley, S. P.: The Manuscripts and Transission of the Text, in: Du Quesnay, Ian/Woodman, Tony (eds.): The Cambridge Companion to Catullus, Cambridge Uni Press (2021), S. 263-290.
  • Catullus Online: Homepage mit allen Gedichten und sehr ausführlichem Apparat und Link zu Scans einiger Handschriften (frei zugänglich).
  • Reynolds, L.D./Wilson, N.G.: Scribes & Scholars: A Guide to the Transmission of Greek & Latin Literature, Oxford Uni Press (4. Auflage, 2012).

Die wesentlichen Catull-Handschriften

  • T: Paris, BNF, MS lat. 8071, ff. 51r-51v (nur carmen 62).
  • O: Oxford, Bodleian Library, Canonicianus Class. Lat. 30 (Codex Oxoniensis).
  • G: Paris, BNF, MS lat. 14137 (Codex Germanensis oder Parisinus).
  • R: Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, MS Ottob. lat. 1829 (Codex Romanus)
  • M: Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, MS lat. XII 80 (4167) (Codex Marcianus).

Kapitelmarken:

00:00:00 Intro

00:08:00 Kurze Geschichte der Textkritik von alexandrinischen Homer-Kommentaren bis Karl Lachmann

00:20:23 Recensio: Welche Handschriften gibt es und wie alt sind sie?

00:36:49 Sigla - das Abkürzungsverzeichnis

00:41:13 Erstellung eines Stemma durch Fehler: Welche Handschrift ist von welcher abgeschrieben?

00:47:12 Beispiele für Trenn- und Bindefehler in den Catull-Handschriften

00:59:09 Exkurs: Häufige Fehlerquellen beim Abschreiben

01:03:39 Probleme mit der Stemmatisierung

01:08:42 Examinatio: Welche Textvariante ist die beste/richtige? Die jüngeren Handschriften sind nicht automatisch die schlechteren (recentiores non deteriores)

01:14:36 Lectio difficilior: Das Prinzip der schwierigeren Lesart

01:19:25 Fehler in Handschriften als Fenster in das Leben der Abschreibenden

01:23:22 Emendatio: Verbesserungen im Text, zum Beispiel durch sekundäre Überlieferung

01:30:42 Konjekturen: Verbesserungen vom Editor selbst

01:36:38 Textkritische Zeichen im Text: Klammern und cruces desperationis

01:40:03 Der kritische Apparat: Dokumentation der Überlieferung

01:43:20 Praefatio: Die Einleitung auf Latein als Grund für aktive Lateinkenntnisse?!

01:47:48 Die Glaubensfrage der bevorzugten Horaz-Edition

01:58:15 Die beiden Properz-Ausgaben

02:01:47 Unser Umgang mit Textkritik

02:08:26: Outro